Sony möchte in den Markt der Service Games vorstoßen. Das könnte sich nicht nur für Sony auszahlen, sondern das ganze Genre positiv beeinflussen.

Die “90” dürfte über die letzten Jahre zu Sonys Lieblingszahl geworden sein. God of War, The Last of Us Part II und Uncharted 4 haben allesamt diese Wertungs-Hürde auf Metacritic übersprungen. Es existieren allerdings noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen diesen drei Titeln: Alle sind, mal mehr, mal weniger, lineare Action-Adventures mit starkem Storyfokus, klarer Dramaturgie und einem “echten“ Ende. Auf Basis  derartiger Titel baute Sony seinen Erfolg in der letzten Konsolengeneration, doch nun wagt der japanische Konsolenhersteller den Aufbruch in neue Gameplay-Gefilde.  Bis 2026 möchte Sony ganze zehn Live-Service-Spiele veröffentlichen – also Games, die nach ihrem Erscheinen konstant mit DLCs oder regelmäßigen Events erweitert und gepflegt werden. Den ersten Schritt in Richtung dieses Ziels ging Sony diesen Monat mit dem Kauf des Destiny-Entwicklers Bungie. Diese Übernahme könnte sich als Win-Win-Situation für beide Parteien herausstellen und eines der größten Probleme von Live-Service-Spielen lösen: die mangelnde Einsteigerfreundlichkeit.


Vor dem Spielspaß steht der Addon-Bachelor

Wer heute, fünf Jahre nach Release, in Destiny 2 einsteigen möchte, sollte sich darauf einstellen, erst einmal einige Semester im Fach Add-on-Kunde an der YouTube-Universität zu belegen.  Diese Vorbereitung ist unverzichtbar, um herauszufinden, welche Content-Packs, Season Passes und Erweiterungen heute notwendig sind, um das Spiel überhaupt vernünftig beginnen zu können. Hat man dann den Addon-Bachelor geschafft, wird man schnell feststellen, dass über die Jahre die Mechaniken des Grundspiels undurchschaubar geworden sind und durch die vielen Updates das Questlog bereits beim ersten Spielstart überläuft. Kurzum: Destiny 2 ist heute ein Albtraum für Neueinsteiger, selbst wenn diese viel Ambition und Geduld mitbringen. Und genau an dieser Stelle kann Sony etwas verändern.

Erfolg durch starke, kreative Visionen mit Spielspaß-Fokus

Denn Sonys große Hits haben ein Erfolgsgeheimnis: Eine eindeutige und starke kreative Vision. Titel aus Sonys hauseigenen Studios verfolgen eine klare, konzeptionelle Linie und besinnen sich auf ihre individuellen Stärken in Sachen Story und emotionalem Spielerlebnis. Dabei hilft eine gewisse finanzielle Freiheit, die ihre Entwickler unter Sonys Schirmherrschaft genießen. Die Titel unterliegen eben nicht schon auf der Ebene der Spielmechanik dem Zwang Profit zu maximieren. Der tatsächliche monetäre Gewinn eines Titels ist für einen Tech-Giganten mit Hardware-Fokus wie Sony eher zweitrangig. Sony möchte vor allem zufriedene Nutzer für seine Plattform gewinnen und diese an sich binden. Das geschieht, durchaus erfolgreich wie die Verkaufszahlen der PS4 beweisen, eben durch Spiele mit einer starken Vision. Sony hat also ganz offensichtlich großes Interesse daran, die wichtigsten Marken im eigenen Portfolio nicht zu verwässern, sondern eine runde Spielerfahrung abzuliefern, die alle Spieler:innen ab der ersten Sekunde packt.


For the Players? YES PLEASE

Es bleibt nun zu hoffen, dass sich diese Philosophie auch auf Sonys neuen Vorstoß in den Live-Service-Sektor überträgt. Destiny 2 wäre heute für Neueinsteiger sicherlich eine angenehmere Erfahrung, wenn Bungie nicht ständig im Hinterkopf behalten müsste, dass ihre kleinteilige Update-Roadmap am Ende des Tages die Rechnungen bezahlen muss.  Ein stärkerer Fokus auf größere, aber besser strukturierte und inhaltlich sinnvoller eingebundene Updates könnten hier Wunder wirken. So stünden potenzielle Neukunden nicht zu Beginn und auch nicht nach fünf Jahren vor einem unübersichtlichen Verhau aus Spielversionen und optionalen Bundles. Und das würde sich am Ende des Tages auch für Sony auszahlen, denn nichts schadet einem Live-Service-Geschäftsmodell mehr, als eine stagnierende oder sogar sinkende Nutzerzahl. Ganz zu schweigen von der Bedeutung von Titeln mit einer solch langen Haltbarkeit für die Kundenbindung an die eigene Hardware-Plattform und damit das eigene Ökosystem.

Go for it, Sony! Gebt uns bessere Service-Spielewelten, abt die Macht, die Fähigkeiten und das Kapital dazu. Und ihr werdet es am Ende mit Sicherheit nicht bereuen.