Im Juli letzten Jahres wurde mein persönlicher Traum wahr. Valve kündigte eine eigene Handheld-Konsole an: das Steam Deck.
Irgendwie hat die Firma, die allein im Jahr 2017 4,3 Milliarden US-Dollar durch den digitalen Vertrieb von Spielen über die Plattform Steam umgesetzt hat, bei mir einen Stein im Brett. Woran das eigentlich genau liegt, kann ich mittlerweile nicht mehr wirklich sagen – sicherlich an Half-Life und vor allem dem community-freundlichen Mod Support, ohne den es in meiner Jugend wohl keine LAN-Partys mit Counter-Strike, Day of Defeat oder später Garry’s Mod gegeben hätte. Auch Portal hat seine Spuren hinterlassen, gilt doch der erste Teil für viele als bestes Spiel aller Zeiten.
Bevor ich aber über meine ersten 5 Stunden mit dem Steam Deck berichte, will ich kurz zusammenfassen, warum die Ankündigung eines Handhelds dieser Firma bei mir direkt so viel Hoffnung aufkeimen ließ.
Das Versprechen: Mobiles Spielen mit großer Bibliothek
Im Privaten bin ich zwar der Digitalisierung zumindest bei einigen Dingen wenig offen gegenüber eingestellt – Musik gibt’s beispielsweise für mich nur auf Vinyl oder CDs – bei digitalen Spielen war mir das “physische Besitzen” auf Datenträgern aber nie so wichtig.
Dementsprechend füllte sich meine Steam Bibliothek über mittlerweile 17 Jahre auch entsprechend. Keine Ausreden: Ich bin auf jeden Fall ein guter und treuer Kunde bei Valve, auch wenn die Eigenentwicklungen mittlerweile aus Luftschlössern (Half-Life 3, anyone?) oder eher mittelmäßig erfolgreichen Hardware-Produkten bestehen (Steam Controller, Steam Link). Gut, in Sachen Virtual Reality ist und bleibt Valve Vorreiter – so lange aber die entsprechende Hardware für Normalsterbliche praktisch unbezahlbar bleibt, lasse ich da die Finger von.
Man hört es vermutlich schon raus: Bis auf einen Game Boy besaß ich früher nie eine eigene Spielkonsole. Stattdessen bekam ich den ausrangierten 386er PC meines Vaters ins Zimmer gestellt und die Disketten– bzw. später CD-Sammlung wuchs und wuchs. Später kamen dann ATI-Radeon-Grafikkarten, Prozessoren mit bis zu 512 GHz (!) und schließlich… Steam. Mittlerweile ist mein PC an den Fernseher angeschlossen und ich spiele auch gerne mit Controllern – auf der Couch.
Trotzdem: Als Nintendo die Switch ankündigte, passierte in meinem Kopf etwas. Das Versprechen aufwendigere und komplexere Spiele unterwegs spielen zu können, ohne einen Laptop mitschleppen zu müssen, verfing bei mir. Ein paar Jahre nach der Veröffentlichung zog die Nintendo-Konsole dann in mein Wohnzimmer. Um es kurz zu machen: Ich mochte sie sehr.
Des Spielers Luxusprobleme
Es gab nur ein Problem: Für welche Plattform sollte ich meine Spiele nun kaufen? PC oder Switch? Die Entscheidung fiel dann doch oft auf den PC, weil dort Spiele in der Regel einfach günstiger zu haben sind und ich mir relativ sicher war und bin, dass der Steam Store in den nächsten 10 Jahren nicht vom Netz gehen wird. Was bei Nintendo mit den eShops für ältere Systeme bereits nächstes Jahr passieren soll. Einige Spiele habe ich mir sogar sowohl für PC und die Switch gekauft, dann waren aber die Speicherstände natürlich nicht kompatibel.
Ist das Steam Deck nun endlich die Lösung all dieser Luxusprobleme?
Meine gesamte, über Jahre aufgebaute und gepflegte Steam Bibliothek überall hin mitnehmen und einfach drauflos spielen? Das klang so verlockend, dass ich nach der Ankündigung direkt versucht habe, das Steam Deck zu reservieren. Leider waren die Steam Server vom großen Ansturm überlastet und ich konnte mein Gerät erst einen Tag später reservieren – was eine Lieferung im 2. Quartal dieses Jahres bedeutete. Gestern wurde die Konsole geliefert.
Das Steam Deck Unboxing – Ja, es kribbelt schon!
Das Steam Deck ist ansprechend verpackt und kommt ohne großen Schnickschnack aus. Die mitgelieferte Schutzhülle macht einen wertigen Eindruck und die Installation könnte tatsächlich einfacher nicht sein. Akku laden, in Steam einloggen, Updates installieren – fertig. Die Menüführung funktioniert dabei ähnlich wie im vom PC-Steam bekannten Big-Picture-Modus, allerdings angepasst an das Steam Deck. Im Store kann man sich kinderleicht durch alle Angebote navigieren; die Spiele, die für das Steam Deck verifiziert sind, haben darüber hinaus sogar eine eigene Kategorie – praktisch! Mein erster Eindruck: Ich bin verliebt!
Pluspunkte beim Handling
Das Steam Deck ist groß! Man könnte sogar sagen, dass es ziemlich klobig wirkt, insbesondere im Vergleich zur Nintendo Switch. Trotzdem liegt es unglaublich gut in meinen (ebenfalls großen) Händen und fühlt sich überraschenderweise leichter an als ich erwartet hätte. Vor allem wirken die verwendeten Materialien wertig. Man hat das Gefühl, dass hier so schnell erstmal nichts kaputt gehen kann. Die Buttons sind sinnvoll angebracht, “drücken” sich gut und die hinteren Bedienmöglichkeiten (L4, L4, R4, R5) fügen sich unvermutet ergonomisch ein. Das ist sehr gut gelöst. Einzig bei den oberen Buttons (also L1, L2 und R1, R2) habe ich noch etwas Probleme beim Umgewöhnen – um auch wirklich gezielt und rechtzeitig die richtige Taste zu erwischen. Ähnliche Probleme hatte ich auch beim Umstieg auf die Xbox Controller und mittlerweile will ich deren Layout eigentlich nicht missen.
Für meine größeren Hände ist das Deck also gut geeignet, beim Anspielen taten mir diese auch nicht so schnell weh oder “schliefen ein”, wie es mir bei der Switch regelmäßig passiert. Dafür sind die Steuerungselemente beim Steam Deck fest verbaut und nicht abnehmbar, was – bezogen auf Multiplayer-Sessions – weiterhin ein großer Vorteil der Switch bleiben wird.
Proton Power: Wie laufen die Spiele denn nun?
Um für Windows entwickelte Spiele auf dem Linux-basierten Steam Deck lauffähig zu machen, nutzt Valve die Software Proton. Wie gut funktioniert das in der Praxis? Direkt ausprobieren wollte ich “Alba – a wildlife adventure”, ein schönes Indie-Spiel, bei dem man einem kleinen Mädchen dabei hilft, eine detailreich gestaltete Insel von Müll zu befreien, Tiere zu retten und letztlich den Bau eines geplanten Hotelkomplex zu verhindern. Und was soll ich sagen: Für derartige Spiele ist das Steam Deck perfekt. “Alba” ist offiziell für das Steam Deck verifiziert und das merkt man sofort.
Für das Open-World-Action-Game “Dying Light 2 Stay Human” ist die Steam Deck Kompatibilität noch nicht offiziell bekannt. Entsprechend gespannt bin ich. Es startet ohne Probleme, läuft flüssig und sieht beeindruckend gut aus auf dem kleinen Bildschirm. Zumindest bei 5 Minuten flotter Parkour-Action hat das Ganze überraschend gut funktioniert, auch wenn ich mich auch noch nicht ganz an die Steuerung gewöhnt habe.
Natürlich habe ich mir auch direkt Klassiker auf das Steam Deck geladen, die ich immer und immer wieder spielen kann, beispielsweise “Monkey Island 2: Le Chuck’s Revenge”. Es startet, alles sieht gut aus… aber Moment! Immer, wenn ich aus dem Menü einen Spielstand laden will, springt das Spiel sofort zurück ins Menü.
Vielleicht eine andere Controller-Konfiguration probieren? Man findet sofort von der Community vorprogrammierte, an das jeweilige Spiel und seine eigenen Vorlieben angepasste Konfigurationen, die sofort geladen sind. Das ist eine tolle Funktion! Nützt in dem Fall aber leider nichts. Also mit einem Klick in die Steam Community Foren switchen und siehe da: Mit dem Problem bin ich nicht allein.
Die Lösung: Raus aus der Steam-Oberfläche auf den Linux-Desktop und das Spiel im Desktop Modus starten. Siehe da: Es funktioniert. Über Umwege zwar, aber okay. Ob Monkey Island 2 dann aber den grünen Haken für die komplette Steam Deck Kompatibilität wirklich verdient hat? Darüber ließe sich zumindest streiten.
Außerdem habe ich die folgenden Titel kurz angespielt und ausprobiert:
- “Four Last Things”. Ein Point & Click Adventure im Monty Python Stil, aus meinem Pile of Shame, wollte ich mir sogar extra fürs Steam Deck aufheben. Nicht verifiziert. Startet nicht, Mist. Keine Lust nach Lösungen zu suchen.
- “Sonic Mania” – Verifiziert. Läuft fantastisch, steuert sich 1A.
- “Half-Life 2” – Verifiziert. Läuft. Sieht immer noch klasse aus. Bekomme tatsächlich Lust darauf es nochmal auf der Plattform zu spielen. Jedes andere Ergebnis wäre für Valve aber auch peinlich gewesen.
- “A Desk Job” – Gratis-Spiel von Valve im “Portal”- Universum, natürlich für das Steam Deck verifiziert, es soll dessen Können ganz besonders herausstellen. Macht großen Spaß! Unbedingt ausprobieren.
- “God of War” – Läuft flüssig, sieht gut aus. Wirklich beeindruckend für das kleine Gerät. Muss mich weiterhin an die Steuerung gewöhnen.
- “Disco Elysium” – Der moderne Rollenspiel-Klassiker. Verifiziert, sieht klasse aus, Texte sind halbwegs gut zu lesen. Brauche nur eine andere Controller-Konfiguration.
Was man jedoch auch merkt: Der Lüfter ist wirklich laut. Das Geräusch gerät aber während des Spielens in den Hintergrund und ist so monoton, dass man es leicht ausblenden kann. Spielt man mit Bluetooth-Kopfhörern hört man davon sowieso nichts.
Die Technik beeindruckt, aber noch läuft längst nicht alles rund
In meiner Steam Bibliothek sind von 514 Spielen nur ganze 105 mit “Great on Deck” ausgezeichnet. Bei den anderen dürfte es also eine Glückssache sein, ob und wie gut sie auf dem Valve Handheld laufen. Trotzdem ist es aus technischer Sicht erstmal beeindruckend, was Valve hier abgeliefert hat.
Die Akku-Laufzeit lag bei mir gestern Abend bei knapp über 4 Stunden, was absolut ok ist für mein Spielverhalten. Zudem kann man das Deck zu Hause auch gleichzeitig mit Strom versorgen. Dabei habe ich meist die Standard-Konfigurationen gewählt, nicht an den vorgeschlagenen Grafikeinstellungen geschraubt und die Helligkeit des Displays auf ca. 40 Prozent heruntergefahren. Hier gibt es auch schon vorab im SteamOS viele Konfigurationsmöglichkeiten, bspw. das Begrenzen der FPS auf 15, 30 oder 60. Da werde ich in Zukunft sicherlich noch etwas herumtüfteln, damit das Steam Deck auch auf längeren Zugfahrten wie gewünscht durchhält.
Fazit: Keine Liebe auf den ersten Blick – aber ausreichend Potenzial für ein zweites Date
Ja, auf den ersten Blick hat es schon echt gekribbelt. Das Design, die Haptik, “HALLO – Meine ganze Steam Bibliothek für unterwegs!!” – all das sprach mich direkt an! Nach ca. 5 Stunden mit dem Gerät sind nun aber auch schon die ersten Macken erkennbar. Die Frage ist, ob man diese akzeptieren kann und am Ende vielleicht sogar lieben lernt. Das wird sich aber erst bei ausdauerndem Gebrauch des Geräts zeigen.
Insbesondere bei Story-lastigen Spielen wie bspw. Life is Strange oder What Remains of Edith Finch, isometrischen Rollenspielen, grafisch weniger anspruchsvollen Indie Games sowie älteren Spiele-Klassikern kann das Steam Deck aus meiner Sicht seine Stärken voll ausspielen. Vorstellen kann ich mir zudem, dass in Sachen Emulation mit dem Steam Deck auch einiges möglich sein sollte und das Gerät viel Spaß machen dürfte.
An die Steuerung muss ich mich bei Action-lastigen Titeln erst noch gewöhnen, prinzipiell funktioniert diese für mich in den meisten Fällen jedoch auch jetzt schon ganz gut.
Wie sich das mit meinem neuen Steam Deck und mir weiterhin entwickelt, darüber informiere ich euch in einem weiteren Artikel – zu einem späteren Zeitpunkt dieser noch jungen Beziehung.