Die erste „echte“ Gamescom seit Beginn der Pandemie ist vorbei – und sie hat ihre Sache gut gemacht.
Die Besucherzahlen sind besser als prognostiziert, auch ohne viele Industrie-Größen. Das Echo: zufrieden bis euphorisch. Aber wie ist es vor Ort gewesen? Wir nehmen Sie mit auf einen Kurztrip in die jüngste Vergangenheit.
Die Stimmung in den Business-Hallen ist gelöst, die Branchen-Menschen ergehen sich in Ahs & Ohs, fast ist es wie bei einem Klassentreffen nach zwanzig Jahren – und wir sind mittendrin. Es werden Hände geschüttelt, Freunde umarmt und Wangen geküsst, ganz als hätte es das schüchterne Gefistbumpe der letzten zwei Jahre nicht gegeben. Und ganz ehrlich: Es fühlt sich grandios an, fast wie ein Akt der Befreiung.
Auch die Hallen für das Publikum sind gut gefüllt. Sie platzen nicht aus allen Nähten, aber es ist gut Betrieb, die im Vergleich zu den Vorjahren großzügigeren Leerflächen zwischen den Ständen fallen nur Eingeweihten auf. Fast hat man den Eindruck, die Messe wäre nie weggewesen. Und als hätten wir die Pandemie nur geträumt. Lediglich vereinzelte Maskenträger:innen stören die Illusion. Wir selbst haben die meiste Zeit, vor allem bei den zahlreichen Transits durch Menschenansammlungen, eine FFP2-Maske im Gesicht. Damit sind wir klar in der Minderheit und werden teils mitleidig belächelt. So richtig ernst scheint das Virus, das uns so in Atem gehalten (und ihn genommen) hat, niemand mehr zu nehmen. Aber wir wollen die gelöste Heiterkeit jetzt nicht weiter stören, das wird das Virus bei vielen der Besucher dann leider mit wissenschaftlicher Präzision in einigen Tagen selbst erledigen.
Im Dialog: Freundlich bis heiter mit Aussichten auf Business
In unseren Gesprächen mit Spieleentwicklern, Publishern, Hardwareherstellern und Journalisten zeichnet sich ein positives Bild. Einen Anteil daran hat sicherlich die Wiedersehensfreude nach den ganzen Lockdowns und Absagen. Ständig laufen uns bekannte Gesichter über den Weg, oft fragen wir uns auch: „Wie war denn noch gleich der Name …?“. Ein eher unterdurchschnittliches Namensgedächtnis wird durch jahrelange Kontaktpausen einfach nicht besser. Da es aber anscheinend vielen so geht, nimmt man das allgemein mit Humor.
Neue Kontakte knüpfen wir auf dieser Gamescom übrigens so locker und leicht wie selten. Ob beim Espresso an einem der öffentlichen und maßlos überteuerten Verpflegungspunkte oder auf einem Publisher-Stand in der leicht verkleinerten Business Area, alle scheinen ausgehungert zu sein nach Gesprächen, nach Austausch auch weit abseits des Businessfokus. Es brummt. Überhaupt fehlt jene übersättigte Abgehangenheit, die auf früheren Veranstaltungen schon mal den Ton angab. Ehrliches Interesse hat übernommen, fast spüren wir so etwas wie Aufbruchstimmung, der Zauber der physischen Begegnung von Angesicht zu Angesicht ist zurück und beweist seine Unersetzlichkeit.
Hybriden Konzepten gehört die Zukunft
Zu hoffen ist indes, dass diese Aufbruchstimmung- und Energie anhält. Die Messe wird trotz des erfolgreichen Neustarts, soviel kann man schon sagen, für die Zukunft neue Ideen und Erlösmodelle brauchen. Ansätze wie die „Openening Night Live“, die vor Ort von 2.000 Menschen gefeiert wurde und laut Messe auf rund 12 Millionen Video-Abrufe kam, zeigen, wohin der Weg in Zukunft noch stärker gehen wird und muss: Hybride Messe-Konzepte mit einer Kombination aus Vor-Ort-Show und angedockten oder selbstständigen Digital-Events gehören die Zukunft. Hier muss man ansetzen, aber auch weiter entwickeln. Die Gamescom Opening Night braucht dringend ein bis zwei Patches und Updates für mehr Spannung und Unterhaltung. Einen Trailer an den anderen zu reihen ist auf Dauer sicher nicht genug. Trotz prominenter Moderationsunterstützung durch Branchenveteran Geoff Knightly aus Kanada.
Mit unseren Partnern von Internet Corp sind wir übrigens in der Lage entsprechende oder rein digitale Veranstaltungen in den unterschiedlichsten Größen anzubieten und durchzuführen. Kunden wie Ikea, Lidl, MasterCard, Penny, Samsung und Visa nutzen bereits die IC-Evens-Plattform.
Die „Kleinen“ gewinnen und die Community feiert sich selbst
Während die Publikumshallen am Mittwoch, dem Fachbesuchertag, noch entspannt zu besuchen sind, sieht es ab Donnerstag dann richtig nach Gamescom aus. Aus einzelnen Zuschauern wird eine Menge, auch ohne viele große Namen wie Nintendo, Sony PlayStation, Activision Blizzard oder EA. Zwar fehlen die endlosen Schlangen vor einigen potentiellen Weihnachtsblockbustern wie God of War: Ragnarök, FIFA 23 oder Call of Duty: Modern Warfare 2. Insgesamt gibt es weit weniger Spielstationen als bisher. Aber zwischen den Hallen schieben wir uns durch ein buntes, lautes und begeistertes Publikum, vielleicht sogar bunter und jünger als in den Jahren davor, aber das ist ein ganz subjektiver Eindruck. Der Indie-Bereich ist sehr gut besucht, viele Interessierte drängen sich in den engen Gängen. Wie prognostiziert scheinen kleinere Entwickler vom Fernbleiben der größeren zu profitieren. Und die Großen, die da sind, können sich über mangelndes Interesse nicht beklagen: Ob mit ausgedünntem LineUp wie Ubisoft oder Microsoft Xbox oder einem besonders spektakulären Stand wie bei THQ Nordic: überall wird gestaunt, gespielt, gefachsimpelt und Party gemacht. Messe-Erlebnis at its best.
Und es verschiebt sich hier gerade etwas: Gut besuchte Veranstaltungen wie in der Event Arena von AMD, wo Gaming-Influencer wie Gnu und HandofBlood bei Contests und anderen Mitmach-Aktionen die Menge begeistern, oder viele Aktionen am TikTok-Stand: Das Gamescom-Publikum feiert sich und seine Helden auch abseits vom direkten Zugriff auf das eigentliche Produkt: die Spiele.
Neue Promis, alte Muster
Viele Cosplayer sind unterwegs und manche Fans tragen tütenweise Merchandising davon, ein gewohntes Bild also. Doch plötzlich kommt Bewegung in die Menge, eine Security-Truppe drängt sich rigoros durch die Massen, Montanablack ist auf einen Abstecher hineingeschneit. Solche Besuche werden im Vorfeld aus Sicherheitsgründen nicht mehr angekündigt, trotzdem hat sich die Nachricht von der persönlichen Anwesenheit des Streamers (Twitch-Follower: weit über 4 Millionen) wie ein Lauffeuer herumgesprochen und es bricht eine Fan-Hysterie aus, wie bei einem Rockkonzert. Die Stars hier heißen Anni the Duck, Paluten, Reno oder eben HandOfBlood und Gnu, sie sind die Top-Influencer in Deutschland und viele Leute sind hier, um sie zu sehen. Wie in der TV-Promi-Welt gibt es dann aber auch die Abteilung „Dschungel“ und das sind für viele im Gaming die Casino-Streamer, also Influencer, die Glücksspiel bewerben. Und prompt werden publikumswirksam Beleidigungen ausgetauscht, Becher fliegen und ein wenig geschlägert wurde wohl auch. Nachzuverfolgen vor allem auf Twitter. Wer mag. Uns reichts.
Brands als Partner, die Messe als Botschafter
Daneben hat die Messe Köln viel Aufwand betrieben, um Brands in die Hallen zu bewegen, die mit dem Kerngeschäft eher weniger zu tun haben: BMW Mini ist in einer Kooperation mit Pokémon groß vertreten. Lego unterstützt mit einem Kinderhort Gaming-begeisterte Eltern beim Erkunden der Hallen und auch Porsche und McDonald’s bringen ihre Marken in Stellung. Kein neuer und oft nicht sehr glaubwürdig inszenierter Trend, aber einer, der in Zukunft eine immer größere Rolle spielen könnte. Wenn es weiter eher um Event und um Erlebnis geht auf den Flächen, die früher die großen Publisher mit ihren kommenden Hits bespielten. Wir jedenfalls hoffen, dass neben diesem Marketing-Engagement von großen Brands auch die Publisher sich entscheiden zurückzukehren in die Messehallen und sich nicht komplett abschotten in ihren Hausmessen und Inhouse-Events. Eine Messe wie die Gamescom erreicht für die Marke, die Produkte und vor allem die Branche andere Dinge, als eine streng choreografierte Veranstaltung, die hauptsächlich in der eigenen Bubble stattfindet. Nicht zuletzt durch die Beteiligung der Politik und damit die Aufmerksamkeit der Medien: Namen wie Kevin Kühnert oder Emily Büning sorgen für mediale Präsenz und bringen das Thema Games als Faktor für Gesellschaft und Wirtschaft tatsächlich in die viel zitierte Mitte der Gesellschaft. Das ist schon eine Investition wert, ganz davon abgesehen, dass die Party vor Ort immer auch die Chance ist, einen weiteren Schritt in Richtung Love Brand zu tun. Positive, emotionale Erlebnisse werden auch von den Fans anderer Marken und Titel wohlwollend abgespeichert.
Die Gamescom 2022 in Zahlen
Fast ist sie zu spüren, die Erleichterung bei den Veranstaltern game – Verband der deutschen Games-Branche und KoelnMesse sowie den Ausstellern, die mit dieser Messe ins Risiko gegangen sind. 265.000 Tickets sind nach offiziellen Angaben verkauft worden. Das sind zwar gut 100.000 weniger, als im Rekordjahr 2019, aber doch mehr als die meisten (wohl inklusive der Veranstalter) dieser Gamescom zugetraut hatten. Und das bei stark gestiegenen Ticket-Preisen. Ein Trend, der sich dringend wieder umkehren sollte, will man ganz zu alter Größe zurückkehren.
Die Videos und Streams von der Messe wurde weltweit 130 Millionen mal abgerufen, auch das ein guter Wert. In einer Zeit in der andere Veranstaltungen dieser Art stark abgespeckt oder erst gar nicht statt finden, hat sich die Gamescom durchgeboxt. Und wir uns durch die Gamescom.
Für nächstes Jahr hoffen wir auf die Rückkehr der großen Publisher und Spiele. Auf neue und frische Ideen im Bereich hybride Messe- und Showkonzepte. Auf das endgültige Ende von Corona und da dies ein bisschen zu blauäugig zu sein scheint, auf ein echtes Hygienekonzept mit klaren Regeln wie Masken- und/oder Testpflicht und Desinfektionsstationen. Und auf besseres Essen. Es kann doch nicht sein, dass es nur auf den Business-Ständen der Publisher, allen voran THQ-Nordic, die ein 16-köpfiges Küchenteam aus Wien einfliegen ließen, genießbare Verpflegung gibt.
Auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr, die Planungen für die Gamescom 2023 vom 23. bisw 27. August 2023 haben schon begonnen.
Wir freuen uns schon jetzt darauf.